Dienstag, 6. Juli 2010

Bring Deinem Hund (ohne Strafe) "Nein!" bei...

Vor kurzem erreichte mich eine SMS, in der vor Giftködern im Raum Leipzig gewarnt wurde. Ich bin mir nie sicher, wie ernst solche Warnungen zu nehmen sind. Tatsache ist jedoch, dass Hunde, die draußen alles Gefundene vom Boden fressen, gefährlich leben. Seien es nun weggeworfene Süßigkeiten, Reste vom Grillhähnchen oder andere unverträgliche Speisen oder auch ausgelegtes Rattengift zur Schädlingsbekämpfung oder oder oder...

Deswegen habe ich beschlossen, Lotte beizubringen, nichts vom Boden zu fressen.

Welches Kommando?

Es kann durchaus sinnvoll sein, das Ganze ohne Kommando zu trainieren. Der Anblick des auf dem Boden liegenden Futters wird dann zum Signal für den Hund. Ich habe mich allerdings dagegen entschieden, weil ich Lotte im Rahmen des JUT (Jagdumleitungs Training) zur Belohnung Leckerchen im Gras suchen lasse.

Also musste ein Kommmando her. Es sollte eins sein, das im Alltag nicht so oft vorkommt und das noch nicht so abgenutzt ist wie das übliche "Aus!", "Pfui!" oder "Nein!".

Ich habe mich dann für "Wehe!" entschieden, eine Freundin von mir sagt "NO!" und ein aus dem Fernsehen bekannter Hundetrainer sagt "Tabu!". Wichtig ist nur, dass man selbst sich das Wort gut merken kann und es einem auch im Ernstfall noch gut über die Lippen kommt.

Warum ohne Strafe?

Hunde die dafür bestraft wurden, dass sie (vermeintliches) Futter vom Boden aufgenommen haben, lernen leider häufig, dass sie nur schnell genug fressen müssen. Leider habe ich diesen Fehler bei Lotte in der Vergangenheit auch schon gemacht, mit dem Erfolg dass sie gefundenes Fressen runterschlingt, bevor ich eingreifen kann. Daher habe ich mich diesmal für einen Trainingsweg ohne Strafe, nur über positive Bestärkung entschieden.

(Das ist lerntheoretisch nicht ganz korrekt, doch dazu in einem anderen Post mehr)

Schritt 1

Ich habe ein Leckerchen auf meine flache Hand gelegt. Sobald Lotte versucht hat, sich das Leckerchen zu nehmen, habe ich (streng) "Wehe!" gesagt und meine Hand geschlossen. Hat sie von der Hand abgelassen habe ich sie wieder geöffnet.

Sie überlegt und ist offensichtlich noch unsicher und leckt sich beschwichtigend über die Nase...



Jetzt weiß sie schon, was sie tun soll...




Das Ganze begann von vorn. Sobald Lotte etwas anderes tat als zu versuchen, an das Leckerchen zu kommen, habe ich sie mit "Nimm!" aufgefordert das Leckerchen zu fressen. Beim nächsten Hund würde ich in dem Fall clicken und ihm dann die Belohnung geben.

Bei Lotte hatte ich übrigens Glück, nachdem sie merkte, dass sie auf normalem Weg nicht an das Leckerchen kommt, hat sie mich erstaunt angesehen. So konnte ich sofort den Blickkontakt belohnen. Schüchternere Hunde werden möglicherweise eher wegsehen, aber auch das ist okay, wer mag, kann den Blickkontakt später noch aufbauen.

Damit wären wir bei einem wichtigen weiteren Punkt:

Kenne Deinen Hund:

Vor Trainingsbeginn solltest Du kurz darüber nachdenken, wie Dein Hund eigentlich ist....

Ist er sehr verfressen? (Dann nutze zunächst normales Trockenfutter oder andere "langweilige" Leckerchen. Oder ist ihm Futter eher egal? (Dann dürfen es schon zu Anfang Superleckerchen sein) Ist Dein Hund sehr stürmisch und ein wenig distanzlos? (Dann kann es sinnvoll sein, ihn zu Beginn des Training anzuleinen oder anfangs die Hand um das Leckerchen zu schließen.) Ist er eher zurückhaltend und schüchtern? (Dann kann es sein, dass er sich nicht traut, das Leckerchen aus Deiner Hand zu nehmen. Beginne statt dessen mit einem am Boden liegenden Leckerchen -> Schritt 3)

Schritt 2

Nachdem ich den ersten Schritt ca 3 Tage lang ungefähr 10 Mal über den Tag verteilt geübt habe, bin ich einen Schritt weiter gegangen.

Ich habe mich auf einen Stuhl gesetzt und das Leckerchen auf mein Knie gelegt. Wenn Lotte versucht hat, das Leckerchen zu nehmen, habe ich "Wehe!" gesagt und es schnell mit der Hand bedeckt.

Hat sie den Versuch, an das Leckerchen zu gelangen aufgegeben, habe ich sie gelobt und ihr das Leckerchen gereicht. Ich habe ihr schon ab diesem Schritt nicht mehr erlaubt, sich das Leckerchen selbst zu nehmen, da sie das im Ernstfall ja auch nicht darf. Ich wollte, dass sie ihre Erwartungen auf meine Hände richtet, und nicht auf das herumliegende Leckerchen.

Bei Lotte war dieser Schritt schnell "abgearbeitet", da für sie das Leckerchen auf meinem Knie keinen großen Reiz ausübte. Vielleicht liegt das an der Größe ;o)

Ich bin hier schnell zu Schritt 3 übergegangen, aber im Normalfall sollte auch dieser Schritt über mehrere Tage mit vielen über den Tag verteilten Wiederholungen geübt werden.

Schritt 3

Nun habe ich das Leckerchen auf den Boden gelegt. Wenn Lotte versucht hat, das Leckerchen zu fressen, habe ich schnell "Wehe!" gesagt und den Fuss darauf gestellt. Hat sie etwas anders getan, habe ich ihr ein Leckerchen aus der Hand gegeben. Ab diesem Schritt dürfen die Hunde das Leckerchen auf keinen Fall mehr vom Boden nehmen dürfen.

Noch lag das Leckerchen mehr oder weniger zwischen mir und Lotte, damit ich es rechtzeitig sichern konnte. Aber im Ernstfall steht ja eher Lotte zwischen mir und dem vermeintlichen Futter. Also musste ich mir etwas anderes überlegen.

Ein youtube-video von Kikopup brachte mich auf die Lösung:

Ich habe Lotte angeleint und konnte so durch die Leine verhindern, dass sie das Leckerchen frisst. (Die Leine dient nicht dazu, den Hund vom Leckerchen wegzuziehen, sondern soll nur verhindern, dass der Hund sich selbst belohnt)

Am Ende sah das ganze dann so aus ;o)





Auch dieser Schritt wird über mehrere Tage mehrfach wiederholt.

weitere Schritte:

Nun musste ich die Anforderungen weiter steigern.

Dabei ist es wichtig, die Generalisierunsskala im Hinterkopf zu behalten. Für Hunde ist ein "Wehe!" im eigenen Wohnzimmer etwas ganz anderes als ein "Wehe!" auf der Wiese. Daher muss auch dieses Kommando generalisiert werden. Hierfür wird die Ablenkung bzw. die Anforderung langsam schrittweise gesteigert. Um diese stetige Steigerung ermöglichen zu können, muss ich vorher wissen, was meinen Hund wie stark ablenkt. (auch hierzu wird es noch einen eigenen Post geben)

verschiedene Orte:

wir haben in unterschiedlichen Räumen geübt, draußen, an Straßenbahnhaltestellen, im Einkaufzentrum, in Gegenwart bekannter und fremder Menschen, Hunde, anderer Tiere...

Abstand steigern:

Ich habe begonnen den Abstand zwischen mir und Lotte zu steigern. In diesem Punkt bin ich leider noch nicht so weit, wie ich es gern wäre, aber ich schreib mal auf, was wir geplant haben.

Ich muss während dieser Trainingsphase jederzeit in der Lage sein, selbstbelohnendes Verhalten zu verhindern. Lotte darf also nie in der Lage sein, sich das Leckerchen ohne meine Erlaubnis zu nehmen. Dazu muss ich Lotte (oder das Leckerchen?) absichern, indem ich so stehe, dass ich zwischen Lotte und das Leckerchen treten kann oder indem ich sie anleine (Schleppleine und Brustgeschirr) oder indem ich einen Helfer bitte, das Leckerchen "zu beschützen". Oder aber indem ich die Anforderungen nur in Mini-mini-mini-Schritten steigere. Leider bin ich ganz schlecht in Mini-Schritten und neige dazu Anforderungen viel zu schnell zu steigern...

Tricks und Grundgehorsam:

Ich habe mit Lotte auch geübt, "bei Fuss" an Futter auf dem Boden vorbei zu gehen oder sich vom Futter wegrufen zu lassen und durch eine gestellte Futtergasse zu mir zu kommen.

Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, solange der Hund keine Gelegenheit bekommt, sich selbst zu belohnen:




bessere Leckerchen

Auf einen Brocken Trockenfutter zu verzichten, ist eine Sache, auf ein Stück Käse, gebratene Leber oder Hühnerbrust schon etwas ganz anderes....

Nimm kein Futter von Fremden

Hm, für diesen Schritt habe ich zwar schon einen Trainingsplan ersonnen, aber noch fehlt mir ein williger Helfer. Deswegen wird hieraus ein eigener Post.

Man übt nie nur eine Sache

Dieser Ausspruch von Alexandra Kurland ist nur zu wahr und trifft auch hier zu. Ich habe Lotte nicht nur beigebracht, kein gefundenes Futter zu fressen, sondern auch, sich besser an mir zu orientieren und mit mir zu kooperieren. Sie bietet nun häufiger Blickkontakt an und ist besser abrufbar, arbeitet auch unter Ablenkung besser mit.

Das Training lohnt sich also auf jeden Fall.

Noch ein Foto zum Schluss:



Ja, ich weiß... ich hatte geschrieben, dass man dem Hund auf keinen Fall erlauben soll, die Leckerchen doch vom Boden zu fressen, aber ich wollte unbedingt ein Beweisfoto, auf dem man sieht, dass ihr die Leckerchen schmecken. (Normales Trockefutter würde sie nämlich freiwillig liegen lassen... die alte Mäkelziege)

..allerdings frisst mein Hund schneller als ich fotografiere...

Über Eure Trainingsberichte, Anregungen und Fragen würde ich mich sehr freuen

liebe Grüße

Sarah mit Lotte und Moses